Constitution des Herzogthums Warschau vom 22. Jul. 1807

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Autor: Napoleon Bonaparte
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Titel: Constitution des Herzogthums Warschau vom 22. July 1807
Untertitel:
aus: Die Constitutionen der europäischen Staaten seit den letzten 25 Jahren, Band 2, S. 34–46
Herausgeber: Karl Heinrich Ludwig Pölitz
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Erscheinungsdatum: 1817
Verlag: F. A. Brockhaus
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Erscheinungsort: Leipzig und Altenburg
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[34]
C) Constitution des Herzogthums Warschau vom 22. July 1807.
Erster Titel.

Art. 1. Die apostolisch-römisch-katholische Religion ist die Staatsreligion.

Art. 2. Alle Arten von Gottesdienst sind frei und öffentlich.

Art. 3. Das Herzogthum Warschau wird in sechs Diözesen vertheilt werden; es wird ein Erzbisthum und sechs Bisthümer haben.

Art. 4. Die Leibeigenschaft ist abgeschafft; alle Bürger sind gleich vor dem Gesetz; der Stand der Personen ist unter dem Schutze der Gerichtshöfe.

Zweiter Titel.
Von der Regierung.

Art. 5. Die herzogliche Krone von Warschau ist erblich in der Person des Königs von Sachsen, seiner Abkömmlinge, Erben und Nachfolger, nach der im sächsischen Hause angeführten Successionsordnung.

Art. 6. Die Regierung beruht auf der Person des Königs. Er übt die Verrichtungen der vollziehenden Gewalt in ihrem ganzen Umfange aus, und hat die Initiative der Gesetze.

Art. 7. Der König kann denjenigen Theil seiner Autorität, welchen er unmittelbar auszuüben nicht für gut findet, einem Vicekönige übertragen.

Art. 8. Findet der König nicht für gut, einen Vicekönig zu ernennen; so ernennt er einen Präsidenten des Ministerialstaatsraths. In diesem Falle werden die Angelegenheiten der verschiedenen Ministerien im Staatsrathe discutirt, um dem Könige zur Genehmigung vorgelegt zu werden.

Art. 9. Der König beruft, prorogirt und vertagt die Versammlung des allgemeinen Reichstages (diète générale). Eben so beruft er die Landtage (diétines) oder Distriktsversammlungen, ingleichen die Gemeindeversammlungen. [35] Er führt im Senate den Vorsitz, wenn er es für zuträglich hält.

Art. 10. Die Güter der herzoglichen Krone bestehen a) in einem jährlichen Einkommen von sieben Millionen polnischer Gulden, halb in Landgütern oder königlichen Domänen, halb auf den öffentlichen Schatz angewiesen; b) in dem königlichen Pallast zu Warschau, und dem sächsischen Pallast.

Dritter Titel.
Von den Ministern und dem Staatsrathe.

Art. 11. Das Ministerium ist folgendergestalt zusammengesetzt: ein Justizminister; ein Minister des Innern und der kirchlichen Angelegenheiten; ein Kriegsminister; ein Finanz- und Schatzminister; ein Polizeiminister. Außerdem wird ein Minister Staatssecretär seyn. Die Minister sind verantwortlich.

Art. 12. Wenn der König es für gerathen gefunden hat, denjenigen Theil seiner Autorität, welchen er sich nicht unmittelbar vorbehalten hat, einem Vicekönige zu übertragen; so arbeiten die Minister, jeder besonders, mit dem Vicekönige.

Art. 13. Wenn der König keinen Vicekönig ernannt hat; so vereinigen sich die Minister, nach dem was oben im 8ten Artikel gesagt worden, in einen Ministerial-Staatsrath.

Art. 14. Der Staatsrath besteht aus den Ministern. Er versammelt sich unter dem Vorsitze des Königs, oder des Vicekönigs, oder des vom Könige ernannten Präsidenten.

Art. 15. Der Staatsrath discutirt, redigirt und beschließt die Entwürfe zu Gesetzen, oder die Verwaltungsreglements, welche jeder Minister in Bezug auf die, sein Departement angehenden, Gegenstände vorschlägt.

Art. 16. Dem Staatsrathe sind vier Requetenmeister beigegeben, theils zu Insruction der Verwaltungsangelegenheiten, und derjenigen, worin der Staatsrath als Cassationsgericht spricht; theils Behufs der Communicationen des Staatsraths mit den Commissionen der Landbotenkammer.

[36] Art. 17. Der Staatsrath erkennt über die Jurisdictionsconflicte zwischen den Verwaltungs- und Justizcollegien, über alle Streitfälle in der Verwaltung, und über die Stellung vor Gericht der öffentlichen Verwaltungsbeamten.

Art. 18. Die im Staatsrathe discutirten Entscheidungen, Gesetzesentwürfe, Decrete und Reglements werden dem Könige zur Genehmigung vorgelegt.

Vierter Titel.
Von dem allgemeinen Reichstage.

Art. 19. Der allgemeine Reichstag besteht aus zwei Kammern, nämlich: der ersten Kammer, oder Kammer des Senats, und der zweiten Kammer, oder Kammer der Landboten.

Art. 20. Der allgemeine Reichstag versammelt sich aller zwei Jahre zu Warschau in dem durch die königliche Zusammenberufungsacte bestimmten Zeitpuncte. Die Sitzung dauert nicht über fünfzehn Tage.

Art. 21. Seine Geschäfte bestehen in Berathschlagung über das Abgaben- oder Finanzgesesetz, und über die Gesetze in Bezug auf die in der Civil- oder Criminalgesetzgebung, oder im Münzsystem vorzunehmenden Aenderungen.

Art. 22. Die im Staatsrathe verfaßten Gesetzesentwürfe werden auf Befehl des Königs der allgemeinen Reichsversammlung übersandt, in der Landbotenkammer durch geheimes Scrutinium, und nach der Mehrheit der Stimmen berathen, und dem Senat zur Sanction überreicht.

Fünfter Titel.
Vom Senat.

Art. 23. Der Senat besteht aus achtzehn Mitgliedern, nämlich: sechs Bischöffen, sechs Woywoden (Palatins) und sechs Kastellanen.

Art. 24. Die Woywoden und Kastellane werden vom Könige ernannt. Die Bischöffe werden vom Könige ernannt, und vom heiligen Stuhle eingesetzt.

[37] Art. 25. Im Senate führt Eins seiner Mitglieder, das der König zu dem Ende ernennt, den Vorsitz.

Art. 26. Die Amtsverrichtungen der Senatoren sind lebenslänglich.

Art. 27. Die in Gemäßheit des unten Gesagten in der Landbotenkammer berathenen Gesetzesentwürfe werden dem Senate zur Sanction übersandt.

Art. 28. Der Senat ertheilt dem Gesetze seine Genehmigung, außer in nachstehenden Fällen: a) Wenn über das Gesetz nicht nach den durch die Verfassung vorgeschriebenen Formen berathschlagt, oder die Berathschlagung durch gewaltsame Handlungen gestört worden ist. b) Wenn der Senat weiß, daß das Gesetz nicht durch die Mehrheit der Stimmen angenommen worden ist. c)[WS 1] Wenn der Senat dafür hält, daß das Gesetz entweder der Staatssicherheit, oder den Vorschriften des gegenwärtigen Verfassungsstatuts zuwider ist.

Art. 29. Falls der Senat aus einem der vorstehenden Beweggründe einem Gesetze seine Sanction verweigert hat; so bekleidet er den König durch eine motivirte Deliberation mit der nöthigen Autorität, um den Beschluß der Landboten zu vernichten.

Art. 30. Ist die Weigerung des Senats durch einen der zwei ersten, im 28. Art. vorgesehenen Fälle motivirt; so kann der König, nach Anhörung des Staatsraths, den Gesetzesentwurf an die Landbotenkammer zurücksenden lassen, mit der Anweisung, regelmäßig zu verfahren. Erneuern sich die nämlichen Unordnungen, entweder in der Haltung der Versammlung, oder in den Formen der Berathung; so ist die Landbotenkammer hierdurch selbst aufgelöst, und der König verordnet neue Wahlen.

Art. 31. Tritt der Fall der Auflösung der Landbotenkammer ein; so bleibt das Finanzgesetz auf ein Jahr prorogirt, und die bürgerlichen und peinlichen Gesetze werden fernerhin, ohne Einschränkung oder Abänderung, in Vollzug gebracht.

Art. 32. Hat der Senat einem Gesetze seine Sanction verweigert; so kann der König gleichergestalt, und in allen Fällen, neue Senatoren ernennen, und alsdann das Gesetz abermals dem Senate zuschicken. Dennoch darf der [38] Senat nie aus mehr als 6 Bischöffen, 12 Woywoden und 12 Kastellanen bestehen.

Art. 33. Hat der König von dem, im vorstehenden Artikel beschriebenen, Rechte Gebrauch gemacht; so werden die im Senat unter den Woywoden und Kastellanen erledigten Stellen nicht wieder besetzt, bis der Senat auf die im 23. Art. festgesetzte Zahl zurückgebracht ist.

Art. 34. Hat der Senat einem Gesetze eine Genehmigung ertheilt, oder hat der König, ungeachtet der motivirten Deliberation des Senats, dessen Promulgation befohlen; so wird der Entwurf zum Gesetze für unmittelbar verbindlich erklärt.

Sechster Titel.
Von der Landbotenkammer.

Art. 35. Die Landbotenkammer besteht a) aus sechszig Landboten, die von den Landtagen oder Versammlungen der Edelleute jedes Distrikts, in dem Verhältnisse von Einem Landboten auf den Distrikt, ernannt werden. Die Landboten müssen wenigstens das 24ste Jahr zurückgelegt haben, im Genuß aller ihrer Rechte, oder für volljährig erklärt seyn. b) Aus vierzig Abgeordneten der Gemeinden.

Art. 36. Das ganze Gebiet des Herzogthums Warschau wird in vierzig Gemeindeversammlungen getheilt; nämlich acht für die Stadt Warschau, und zwei und dreißig für das übrige Gebiet.

Art. 37. Jede Gemeindeversammlung muß wenigstens sechshundert stimmberechtigte Bürger in sich begreifen.

Art. 38. Die Mitglieder der Landbotenkammer bleiben neun Jahre im Amte; sie werden drittelweise alle drei Jahre erneuert. Demzufolge wird, aber blos für das erstemal, ein Drittel der Mitglieder der Landbotenkammer nur drei Jahre, und ein anderes Drittel sechs Jahre im Amte bleiben. Das Verzeichniß der in diesen beiden Zeitpuncten austretenden Mitglieder wird durch das Loos gebildet werden.

[39] Art. 39. In der Landbotenkammer führt ein Marschall den Vorsitz, der aus ihrer Mitte gewählt, und vom Könige ernannt wird.

Art. 40. Die Landbotenkammer berathschlagt über die Gesetzesentwürfe, welche alsdann dem Senat zur Sanction zugesandt werden.

Art. 41. Sie ernennt bei jeder Sitzung, durch geheime Abstimmung und nach Mehrheit der Stimmen, drei Commissionen, jede von fünf Mitgliedern. Diese sind: eine Finanzcommission, eine Commission für die bürgerliche, und eine Commission für die peinliche Gesetzgebung. Der Marschall-Präsident der Landbotenkammer macht dem Staatsrathe in einer Bothschaft von der Ernennung besagter Commissionen Mittheilung.

Art. 42. Ist ein Gesetzesentwurf im Staatsrathe abgefaßt; so theilt ihn selbiger derjenigen Commission, welche der Gegenstand des Gesetzes angeht, durch den Minister des betreffenden Departements, und durch die Dazwischenkunft der dem Staatsrathe beigegebenen Requetenmeister mit. Hat die Commission über den Gesetzesentwurf Bemerkungen zu machen; so versammelt sie sich bei besagtem Minister. Die mit der Mittheilung des Gesetzesentwurfes beauftragten Requetenmeister werden zu diesen Conferenzen zugelassen.

Art. 43. Beharrt die Commission auf ihren Bemerkungen, und begehrt sie Modificationen in dem Gesetzesentwurfe; so erstattet der Minister dem Staatsrathe darüber Bericht. Dieser kann die Mitglieder der Commission zulassen, um in seiner Mitte über diejenigen Puncte des Gesetzesentwurfes, welche man für modificationsfähig gehalten hat, zu discutiren.

Art. 44. Nachdem der Staatsrath, entweder durch den Bericht des Ministers, oder durch die in seiner Mitte statt gehabte Discussion, von den Bemerkungen der Commission Kenntniß genommen hat; so beschließt er definitiv die Abfassung des Gesetzesentwurfes, welcher nun zur Berathung an die Landbotenkammer geschickt wird.

Art. 45. Die Mitglieder des Staatsraths sind geborne Mitglieder der Landbotenkammer. Sie haben darin Sitzung und berathende Stimme.

[40] Art. 46. Die Mitglieder des Staatsraths und die Mitglieder der Landbotencommission haben allein das Recht, in der Kammer das Wort zu führen; es sey nun, falls der Staatsrath und die Commission über den Gesetzesentwurf einig sind, um dessen Vortheile ans Licht zu stellen, oder falls sie uneins sind, um dessen Nachtheile hervorzuheben, oder sie zu bestreiten. Kein anderes Mitglied darf über den Gesetzesentwurf das Wort nehmen.

Art. 47. Die Mitglieder der Commission können ihre individuelle Meinung über den Gesetzesentwurf öffentlich aussprechen; sie mögen nun von der Meinung der Mehrheit oder der Minderheit der Commission gewesen seyn. Die Mitglieder des Staatsraths hingegen dürfen nur zu Gunsten des im Staatsrathe beschlossenen Gesetzesentwurfes sprechen.

Art. 48. Urtheilt der Marschall-Präsident her Landbotenkammer, daß der Gegenstand hinlänglich aufgeklärt ist; so kann er die Discussion schließen, und den Gesetzesentwurf zur Berathung aufstellen. Die Kammer berathschlagt durch geheimes Scrutinium und nach absoluter Mehrheit der Stimmen.

Art. 49. Ist über ein Gesetz berathschlagt; so schickt es die Landbotenkammer sogleich an den Senat.

Siebenter Titel.
Von den Landtagen und Gemeindeversammlungen.

Art. 50. Die Landtage (diétines) oder Distriktsversammlungen bestehen aus den Edelleuten des Distrikts.

Art. 51. Die Gemeindeversammlungen (assemblées communales) bestehen aus den Eigenthum besitzenden, nichtadelichen Bürgern, und aus den übrigen Bürgern, die nach dem, was unten folgt, daran Theil zu nehmen berechtigt sind.

Art. 52. Die Landtage und Gemeindeversammlungen werden vom Könige zusammenberufen. Der Ort, der Versammlungstag, die Verrichtungem, womit sie sich beschäftigen sollen, und die Dauer ihrer Sitzung werden in den Convocationsschreiben ausgedrückt.

[41] Art. 53. Niemand kann zum Stimmen zugelassen werden, der nicht das 21. Jahr zurückgelegt hat, im Genuß seiner Rechte, oder für emancipirt erklärt ist. Die Emancipation kann in Zukunft, ungeachtet aller bisherigen zuwiderlaufenden Gesetze oder Gewohnheiten, mit 21 Jahren Statt haben.

Art. 54. Jeder Landtag oder jede Distriktsversammlung ernennt einen Landboten (Nonce), und schlägt Candidaten zu den Departements- und Distriktsräthen, so wie zu den Friedensrichterstellen, vor.

Art. 55 Bei den Landtagen führt ein vom Könige ernannter Marschall den Vorsitz.

Art. 56. Sie werden in zehn Reihen (séries) getheilt. Jede Reihe besteht aus solchen Distrikten, die von einander durch das Gebiet eines oder mehrerer Distrikte getrennt sind. Zwei Reihen können nicht zu gleicher Zeit zusammenberufen werden.

Art. 57. Die Abgeordneten der Gemeinden werden durch die Gemeindeversammlungen ernannt. Sie schlagen eine doppelte Liste von Candidaten zu den Municipalräthen vor.

Art. 58. In den Gemeindeversammlungen sind zu stimmen berechtigt: a. Jeder angesessene, nichtadeliche Bürger. b. Jeder Fabrikant oder Kaufmann, der in seiner Boutique oder Magazin einen Fonds von wenigstens 10,000 polnischen Gulden an Werth hat. c. Alle Pfarrer und Vikarien. d. Jeder Künstler und jeder Bürger, der sich durch seine Talente, seine Kenntnisse, oder durch Dienste, die er dem Handel oder den Künsten geleistet hat, auszeichnet. e. Jeder Unteroffizier und Soldat, der, nachdem er Wunden erhalten oder mehrere Feldzüge gemacht, seinen Abschied bekommen hat. f. Jeder dienstthuende Unteroffizier oder Soldat, der wegen seines guten Betragens Auszeichnungen erhalten hat. g. Die Offiziere von jedem Grade. Die besagten, zu der Zeit wirklich dienstthuenden, Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten, welche sich in der Stadt, wo die Gemeindeversammlung gehalten wird, zur Besatzung befinden könnten, dürfen, blos in diesem Falle, das durch gegenwärtigen Artikel bewilligte Recht nicht ausüben.

[42] Art. 59. Die Liste der angesessenen Stimmberechtigten wird durch die Municipalität angefertigt, und durch die Steuereinnehmer beglaubigt. Die Liste der Pfarrer und Vicarien wird vom Präfecten angefertigt, und durch den Minister des Innern visirt. Die Liste der im obigen Artikel angeführten Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten wird vom Präfecten angefertigt, und durch den Kriegsminister visirt. Die Listen der Fabrikanten, Kaufleute, Künstler u. s. w. werden vom Präfecten angefertigt, und alle Jahre durch den Senat bestätigt. Die Bürger, welche sich in dem letzten der oben angeführten Fälle befinden, können ihre Petitionen, mit beigefügten Beweisschriften gerade an den Senat richten.

Art. 60. Der Senat kann in allen Fällen, wo er in Bildung der Listen, Mißbräuche zu argwohnen, Ursache hat, die Verfertigung neuer anbefehlen.

Art. 61. Die Gemeindeversammlungen können nicht zu gleicher Zeit im ganzen Umkreise eines Distrikts zusammenberufen werden. Es wird immer ein Zwischenraum von acht Tagen zwischen der Versammlung einer jeden von ihnen seyn, blos die zu Warschau ausgenommen, von denen immer zwei zugleich zusammenberufen werden können.

Art. 62. In den Gemeindeversammlungen führt ein vom Könige ernannter Bürger den Vorsitz.

Art. 63. In den Landtagen und Gemeindeversammlungen darf keine Discussion, von welcher Art sie auch sey, keine Berathschlagung, Petition oder Vorstellung Statt finden. Sie dürfen sich nur mit der Wahl der Deputirten oder Candidaten beschäftigen, deren Zahl nach dem Obigen in den Convocationsschreiben im Voraus angegeben ist.

Achter Titel.
Gebietseintheilung und Verwaltung.

Art. 64. Das Gebiet bleibt in sechs Departements vertheilt.

Art. 65. Jedes Departement wird durch einen Präfecten verwaltet. In jedem Departement ist ein Rath für die streitigen Angelegenheiten, der wenigstens aus drei, höchstens aus fünf Mitgliedern besteht, und ein allgemeiner [43] Departementsrath, der wenigstens aus sechszehn, höchstens aus vier und zwanzig Mitgliedern besteht.

Art. 66. Die Distrikte werden durch einen Unterpräfecten verwaltet. In jedem Distrikt ist ein Distriktsrath, der wenigstens aus neun, höchstens aus zwölf, Mitgliedern besteht.

Art. 67. Jede Municipalität wird durch einen Maire oder Präsidenten verwaltet. In jeder Municipalität ist ein Municipalrath, der aus zehn Mitgliedern für 2,500 Einwohner und darunter, aus zwanzig für 5000 Einwohner und darunter, und aus dreißig für die Städte von mehr als 5000 Einwohnern besteht.

Art. 68. Die Präfecte, Präfecturräthe, Unterpräfecte und Maires, werden vom Könige, ohne vorgängige Präsentation, ernannt. Die Mitglieder der Departementsräthe und Distriktsräthe werden vom Könige aus einer zwiefachen, durch die Distriktslandtage angefertigten Candidatenliste ernannt. Sie Werden aller zwei Jahre zur Hälfte erneuert. Die Mitglieder der Municipalräthe werden vom Könige aus einer zwiefachen, von den Gemeindeversammlungen angefertigten, Candidatenliste ernannt. Sie werden aller zwei Jahre zur Hälfte erneuert. Die Departements- und Distriktsräthe, so wie die Municipalräthe, ernennen einen aus ihrer Mitte gewählten Präsidenten.

Neunter Titel.
Gerichtsverfassung.

Art. 69. Der Codex-Napoleon wird das bürgerliche Gesetz im Herzogthum Warschau bilden.

Art. 70. Das Verfahren ist öffentlich, sowohl in Civil- als peinlichen Sachen.

Art. 71. In jedem Distrikte ist ein Friedensgericht; in jedem Departement ein bürgerliches Tribunal erster Instanz; für zwei Departements immer ein peinlicher Gerichtshof, und für das ganze Herzogthum Warschau nur Ein Appellationsgerichtshof.

Art. 72. Der Staatsrath, dem vier von dem Könige ernannte Requetenmeister zugegeben sind, versieht die Verrichtungen eines Cassationsgerichts.

[44] Art 73. Die Friedensrichter werden vom Könige aus einer dreifachen, durch die Distriktslandtage angefertigten, Candidatenliste ernannt. Sie werden aller zwei Jahre zum dritten Theil erneuert.

Art. 74. Der richterliche Stand ist unabhängig.

Art. 75. Die Richter der Tribunale erster Instanz, der Criminalgerichtshöfe und des Appellationsgerichts, werden vom Könige, und zwar auf Lebenszeit, ernannt.

Art. 76. Das Appellationsgericht kann, entweder auf die Denunciation des königlichen Procurators, oder eines seiner Präsidenten, vom Könige die Absetzung eines Richters von einem Tribuale erster Instanz, oder von einem Criminalgerichtshofe, den es einer Prävarication in der Ausübung seines Amtes für schuldig hält, begehren. Die Absetzung eines Richters von dem Appellationsgerichtshofe kann durch den Staatsrath, in seiner Eigenschaft als Cassationsgericht, begehrt werden. Nur in diesen Fällen kann der König die Absetzung eines Richters verfügen.

Art. 77. Die Urtheile der Gerichtshöfe und Tribunalien werden im Namen des Königs ausgesprochen.

Art. 78. Das Begnadigungsrecht gehört dem Könige; er allein kann die Strafe erlassen oder abändern.

Zehnter Titel.
Von der bewaffneten Macht.

Art. 79. Die bewaffnete Macht wird aus 30,000 Mann von allen Waffenarten, effectiv im Dienst, bestehen. Die Nationalgarden sind hiebei nicht mitgerechnet.

Art. 80. Der König kann einen Theil der Truppen des Herzogthums Warschau nach Sachsen berufen, wenn er sie durch eine gleiche Anzahl sächsischer Truppen ersetzt.

Art. 81. Falls die Umstände es mit sich brächten, daß außer den Truppen des Herzogthums Warschau der König in das Gebiet dieses Herzogthums andere sächsische Truppencorps schickte; so soll doch bei dieser Gelegenheit keine neue Auflage oder öffentliche Last, außer den durch das Finanzgesetz autorisirten, eingeführt werden dürfen.

[45]
Eilfter Titel.
Allgemeine Vorschriften.

Art. 82. Die Titularen aller Stellen und Aemter, die nicht lebenslänglich sind, die Vicekönigsstelle mit eingeschlossen, aber die Landboten ausgenommen, können nach dem Gutbefinden des Königs abberufen werden.

Art. 83. Kein Individuum, das nicht Bürger des Herzogthums Warschau ist, kann darin zu einem Amte ernannt werden, dasselbe sey nun geistlich, oder bürgerlich, oder richterlich.

Art. 84. Alle Acten der Regierung, der Gesetzgebung, der Verwaltung und der Tribunalien, werden in der Nationalsprache geschrieben.

Art. 85. Die vormals in Polen bestandenen Civil- und Militärorden werden beibehalten. Der König ist das Haupt dieser Orden.

Art. 86. Gegenwärtiges Verfassungsstatut wird durch Reglements vervollständigt werden, die der König erläßt, nachdem sie in seinem Staatsrathe discutirt worden.

Art. 87. Die Gesetze und öffentlichen Verwaltungsreglements werden im Bulletin der Gesetze publicirt, und bedürfen keiner andern Form von Publication, um verpflichtend zu werden.

Zwölfter Titel.
Vorschriften für einen gewissen Zeitraum.

Art. 88. Die gegenwärtig bestehenden Abgaben werden fortwährend bis zum 1. Jan. 1809 bezogen werden.

Art. 89. Man wird Nichts an der gegenwärtigen Zahl und Organisation der Truppen ändern, bis in dieser Rücksicht durch den ersten zusammenberufenen allgemeinen Reichstag etwas festgesetzt ist.

Unterzeichnet, die Mitglieder der Regierungscommission:

Malachowsky; Dzialinsky; Wibizty; Bilinsky; Sobolewsky; Luczewsky, General-Secretär.

[46] Wir Napoleon, von Gottes Gnaden und durch die Constitutionen Kaiser der Franzosen, König von Italien, Beschützer des rheinischen Bundes, haben genehmigt und genehmigen vorstehendes Verfassungsstatut, welches uns in Vollziehung des 5. Art. des Tilsiter Tractats vorgelegt worden ist, und welches wir für angemessen halten, unsere Verpflichtungen gegen die Völker von Warschau und Großpolen zu erfüllen, indem es ihre Freiheiten und Rechte mit der Ruhe der benachbarten Staaten in Einklang bringt.

So geschehen im königlichen Pallaste zu Dresden den 22. Jul. 1807.

(Unterz.) Napoleon.

Durch den Kaiser, der Minister Staats-Secretär,

(Unterz.) H. B. Maret.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 3)